Oktober 2024

Leben in den Zwölf Schritten

„Wir haben einander den Dritten Schritt laut vorgelesen, und jeder war Zeuge für den anderen – genau wie es im „Blauen Buch“ steht. Während wir daran arbeiten, meine alten Vorstellungen dadurch zu revidieren, dass wir uns mittels der Zwölf Schritte um die inneren Umstände kümmern und die äußeren sich selbst überlassen, wird das Leben immer einfacher und leichter.“

(Blaues Buch, Seite 226)

Das Zwölf-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker ist kein theoretisches, sondern ein praktisches Programm. Es fordert uns zum Handeln auf. Alte Vorstellungen werden dabei über Bord geworfen und –einst am Boden zerstört– beginnen wir zu genesen.

Teile mit uns deine Geschichte, deine Erfahrung und deine Hoffnung.

Sonderthema zur Oktoberausgabe

 Nie zu alt für`s erste Meeting

Zu Gründerzeiten waren unsere AA- Freunde und -Freundinnen sicher im Durchschnitt viel älter als zur Jetztzeit. Alkoholismus war noch weit davon entfernt als Krankheit anerkannt zu werden, und Willens- und Charakterschwäche galt als gängige Ursache. Es war auch keine Hilfe in Sicht außer der Einweisung in die geschlossene Psychiatrie, was niemand freiwillig wollte! Nur wenn man nach vielen Jahren der Abhängigkeit gar nicht mehr weiter wusste, ging man zum ersten Mal durch die Meetingstür.

Heute kommen immer jüngere Menschen in die Meetings und finden Hilfe bei AA. Ich habe manchmal Zweifel, ob sie sich selbst schon genug bewiesen haben, dass sie nicht „wenig und kontrolliert“ trinken können. Ich wünsche es ihnen von ganzem Herzen! Denn manches Mal bin ich ein wenig neidisch (aber mit Gönnen!), dass sie einige trockene Jahre mehr haben können!

Aber dann denke ich an die vielen glücklichen, dankbaren AA´s, die sehr spät und schon viel älter als ich zum ersten Mal ins Meeting kommen, und ab da „nicht dem Leben mehr Tage, aber den Tagen mehr Leben“ (nach Cicely Saunders) geben können.

Immer nur für 24 Stunden!

Beiträge zu beiden Themen bitte bis 3. August 2024 an aa-redaktion@anonyme-alkoholiker.de

November 2024

Sucht und Depression
Wir hatten Probleme mit zwischenmenschlichen Beziehungen, wir konnten unsere Gefühlswelt nicht kontrollieren. Wir waren eine Beute für Trübsal und Depressionen, wir konnten für unseren Lebensunterhalt nicht sorgen, wir hatten ein Gefühl der Nutzlosigkeit, wir waren voller Furcht, wir waren unglücklich. Es schien, dass wir keine echte Hilfe für andere Leute sein konnten.

Aus: Anonyme Alkoholiker, 1. Auflage 2016, Seite 60

Wenn ich auf meinen Werdegang als Alkoholikerin anhand meiner Inventur zurückblicke, stellt sich mir in Bezug auf meine Depressionen die Frage, was war zuerst da, sie oder der Alkoholismus? Die Antwort darauf gestaltet sich ähnlich komplex wie die von der Frage mit dem Huhn und dem Ei. Aus heutiger Sicht betrachtet ist dies jedoch gar nicht mehr so wichtig. Was zählt, ist, dass ich mit dem Zwölf-Schritte-Programm einen Leitfaden an die Hand bekommen habe, der als Lösung für all meine Probleme, ob real oder eingebildet, dient. Vorausgesetzt, ich wende das Programm und die Werkzeuge, die ich von euch bekommen habe, auch auf täglicher Basis an.
Nichts ist einfacher, als das spirituelle Programm zu vernachlässigen. In der Rückschau erkenne ich, dass meine schmerzhaftesten Momente auch meine lehrreichsten waren, und meinen Tiefpunkt habe ich gebraucht, um zu euch zu finden. Ein nüchternes Leben bedeutet nicht, frei zu sein von Leid, aber ich lerne mit und durch euch meine Reaktion darauf zu verändern. Für mich ist es wichtig, immer wieder zu kommen. Teile mit uns deine Erfahrung, Kraft und Hoffnung zu diesem Thema, wie sich die Depression in deinem Leben gezeigt hat oder heute noch zeigt.

Beiträge  bitte bis 3. September 2024 an aa-redaktion@anonyme-alkoholiker.de

Dezember 2024

Glücklich, froh und frei

„Willst Du Recht haben oder glücklich sein?“ Gute Frage, die ich mir oft stelle. Immer gerne erst dann, wenn es wehtut.

Bevor ich die Gnade erfahren habe, nicht mehr trinken zu müssen und dem Trinken eine komplette psychische Veränderung entgegenstellte, wollte ich eigentlich nur mein Recht durchsetzen. Wie der Schauspieler in unserem Blauen Buch wollte ich bestimmen, wer was wann tut und wie alle zu denken haben; nur dann könnte ich mich sicher und frei fühlen. Komischerweise stellte sich das Glück nie ein. Komischerweise wollte niemand machen, was ich verlangte. Und oft genug gingen meine Pläne pleite. Glück, Frohsinn und Freiheit ertranken in meinen Rechtfertigungen, mich schlecht fühlen zu dürfen.

Heute weiß ich, dass es in mir steckt, das Glück und dass ich frei bin von den Qualen der Sucht, den Ängsten vor den vielen Morgen, die da noch kommen. Ich kann ziemlich oft Menschen und Situationen sein lassen, wie sie sind und mich dem widmen, was wirklich wichtig ist. Dem Neuen bei AA, dem großen Ganzen, dem Fortschritt, den ich persönlich machen muss, um noch nützlicher zu werden. Frei zu sein von eigennützigen Beweggründen schießt mich in die Freiheit, die ich so sehr vermisst habe und die mich jetzt nachts glücklich schlafen lässt.

Und wie schafft man das? Wie werde ich glücklich, froh und frei? Für mich steht fest, dass nur die ehrliche und furchtlose Inventur meines Selbst und ein wirklich liebender, wegweisender und allwissender Gott die Basis ist. Gott ist entweder alles oder nichts. Und der will mich glücklich, froh und frei. Beim Lesen aller Erfahrungen, die andere auf ihrem Weg durch das Programm gemacht haben, findet ihr euch mit Sicherheit wieder und ihr findet vielleicht auch den einen oder den anderen Impuls für Fragen, die eventuell noch offen sind. Eines steht fest: Wir gehen zusammen, niemand muss alleine da durch und das ist sicher schon mal ein Grund, das erste Glas stehen zu lassen. Denn wir wissen: Glücklich, froh und frei sein ist doch genau das, was wir alle wollen.

Sonderthema zur Dezemberausgabe

Doppelgewinner

Ich bin Alkoholikerin und gleichzeitig Angehörige. Um emotional nüchtern zu werden, will und muss ich mir auch meinen Anteil als Tochter einer trinkenden Mutter angucken, denn meine co-abhängige Seite ist sehr stark und mitunter zerstörerisch für mich und andere. Wie beim Alkohol hilft es mir auch bei diesem Thema am meisten, wenn ich anderen zuhöre, die das gleiche Problem haben und schon eine Lösung gefunden haben. Also gehe ich zu AA und zu Al-Anon.

„Doppelgewinner“ oder „Doublewinner“ ist sicherlich etwas augenzwinkernd gemeint – wer will schon ZWEI Krankheiten statt einer haben? Aber die Wahl habe ich eh nicht, deswegen feiere ich es, dass ich zwei so fantastische Programme mit wunderbaren Menschen in meinem Leben habe und für ALLES in meinem Dasein eine Lösung bekomme.

Ich hatte mal den Eindruck, dass AA und Al-Anon als Gegensätze gesehen werden. Inzwischen habe ich viele Menschen getroffen, die in beiden Programmen zu Hause sind. Und schon wieder stelle ich fest: Ich bin nicht „der eine Sonderfall“! Stattdessen bin ich einfach nur ich und dankbare Doppelgewinnerin.

Beiträge zu beiden Themen bitte bis 3. Oktober 2024 an aa-redaktion@anonyme-alkoholiker.de