In der Monatszeitschrift AA-DACH der deutschsprachigen Anonymen Alkoholiker werden Erfahrungen der jeweiligen Verfasser/Innen mit dem AA-Programm (Schritte, Traditionen, Meetings-Begegnungen, Sponsorschaft etc.) veröffentlicht.
Sie stellen keine Stellungnahme der Gemeinschaft der Anonymen Alkoholiker dar und können nicht auf AA als Ganzes bezogen werden.
Mai 2025
Monatsthema: Ohne Angst kein Mut
Leseprobe:
Wenn Angst zur Stärke wird
In der Zeit, als ich viel Alkohol konsumierte, war die Angst mein ständiger Begleiter. Sie trieb mich umher, ließ mich nicht zur Ruhe kommen. Besonders in den späten Stunden verstärkte der Alkohol meine Ängste sogar noch. Anstatt mich zu beruhigen, zog er mich immer weiter nach unten. Die Angst dominierte mich, hielt mich gefangen und führte mich immer tiefer in die Dunkelheit.
Es war schließlich meine Partnerin, die den Mut aufbrachte, mir zu sagen: „So kann es nicht weitergehen.“ Und wieder war die Angst da. Angst, sie zu verlieren. Angst, allein dazustehen. Doch an diesem Tiefpunkt angekommen, traf ich eine endgültige Entscheidung: Ich sagte dem Alkohol Lebewohl.
Die Angst wich nicht sofort – im Gegenteil. Ich fürchtete, alles verloren und versagt zu haben. Ich hatte Angst vor der Verurteilung anderer, Angst davor, mein erstes AA-Treffen zu besuchen. Doch rückblickend war genau das ein Akt des Mutes. Es braucht Mut, sich einzugestehen, dass man am Boden liegt und man sein Leben ändern muss.
Meine Angst hat eine neue Richtung
Heute kann ich nicht behaupten, dass ich ganz frei von Angst bin. Aber ich habe gelernt, ihr zu begegnen und sie auszuhalten, anstatt mich von ihr beherrschen zu lassen. Sie zieht mich nicht mehr herunter – sie beschützt mich. Sie ist ein Wegweiser, der mir zeigt, wo meine Grenzen sind. Die Überzeugung, nie wieder in meine Vergangenheit zurückzukehren, gibt mir Kraft.
Natürlich gibt es Momente, in denen sich ein dumpfes Gefühl einschleicht. Es ist die Angst vor dem Scheitern, vor einem Rückfall. Doch genau darin liegt etwas Positives: Ich habe den Mut, meine Ängste anzuerkennen. Ich weiß, was ich will und vor allem, was ich nicht mehr will.
Die Angst dominiert mich nicht mehr. Sie ist kein Feind mehr, sondern ein Stoppschild, das mir hilft, im Gleichgewicht zu bleiben. Die Angst, die mich einst in die Verzweiflung trieb, hat eine neue Richtung gefunden: Sie leitet mich zurück zu mir selbst, zu meiner eigenen Stärke und zu einem gesünderen Leben.
Angst annehmen ohne Alkoholbetäubung
Wenn ich heute Angst verspüre, weiß ich, dass ich Kraft brauche und den Mut, die Situation auszuhalten und sie so anzunehmen, wie sie ist. Es gibt Dinge, die ich nicht ändern kann, wie es im Gelassenheitsspruch heißt. Aber es gibt auch vieles, das ich verändern kann. Und manchmal hilft mir sogar die Angst dabei, denn sie zeigt mir, dass es vielleicht an der Zeit ist, etwas zu überdenken und sie gibt mir den Mut, es zu tun.
Natürlich ist das nicht immer einfach. Doch in unserer Gruppe darüber zu sprechen, hilft mir sehr. Der Austausch, das gemeinsame Erinnern und die Ratschläge aus unseren Erfahrungen geben mir oft weitere wertvolle und neue Impulse, die ich in meinen Alltag einfließen lassen kann.
Heute weiß ich, dass Angst eine ganz normale Emotion ist – sie gehört zu meinem Leben. Doch ich muss sie nicht mehr mit Alkohol betäuben. Ich habe gelernt, dass ich meine Gefühle viel besser ohne Alkohol aushalten und verarbeiten kann.
Ich bin froh, dass ich den Mut hatte, diesen Weg zu gehen. Ich hoffe auf viele weitere 24 Stunden in Abstinenz und darauf, dass die Angst nie wieder die Macht über mich gewinnt, die sie einst hatte.
Sacha, 42, Alkoholiker aus Luxemburg
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