Mein Name ist Günter – ich bin Alkoholiker …
Elf Jahre meines Lebens habe ich im Rausch verbracht. Dass es heute nicht mehr so ist, verdanke ich allein der Tatsache, dass es die Anonymen Alkoholiker gibt. Dabei deutete nichts darauf hin, dass ich einmal Alkoholiker werden würde. Ich hatte ein gutes Elternhaus, erlernte den Maurerberuf und wurde mit 18 Jahren zum Grenzdienst eingezogen. Damals kam ich zum ersten Mal mit dem Alkohol in Berührung. Es wurde täglich aus Langeweile getrunken. Dazu kam, dass wir eine Kapelle gründeten. Das bedeutete für mich, dass ich noch mehr Zeit und Gelegenheit hatte, Alkohol zu trinken. Damals konnte ich aber trotz vielen Trinkens nicht bemerken, dass der Alkohol eine negative Wirkung auf mich hatte.
Auch wenn ich an einem Abend einmal sehr viel trank, genügte es, einmal richtig auszuschlafen, um wieder einsatzfähig zu sein. Meine Vorgesetzten schätzten mich, da ich alle gestellten Aufgaben zu ihrer Zufriedenheit erledigte. Und so kam es, dass ich ziemlich schnell befördert wurde. Zu dieser Zeit lernte ich meine Frau kennen. Obwohl ich ständig mehr trank, ist es ihr nicht aufgefallen, dass mir damals das Trinken schon zur Gewohnheit geworden war.
Selbst meine zukünftige Schwiegermutter schätzte mich anfangs. Als sie aber merkte, dass ich täglich mehr trank, verbot sie mir den Umgang mit ihrer Tochter. Trotzdem hielt meine Frau zu mir. Nach Beendigung meiner Dienstzeit heirateten wir.
Zunächst arbeitete ich in meinem Beruf als Maurer. Auf der Baustelle sowie bei Richtfesten wurde immer sehr viel getrunken, was mir aber nicht mehr genügte. Die Folge davon war, dass ich zu Hause weitertrank oder von der Arbeit aus gleich in die Gastwirtschaft ging. Wir wohnten damals auf einem Zimmer und konnten uns unnötige Ausgaben nicht leisten.
Es kam dadurch oft zu Ehestreitigkeiten, was natürlich für mich ein Grund mehr war, weiterzutrinken. Es genügte mir nun nicht mehr, während der Arbeit und nach Feierabend zu trinken – jetzt musste ich schon morgens eine oder mehrere Flaschen Bier haben, um überhaupt arbeiten zu können.
Wegen meiner Trinkerei musste ich mehrmals meine Arbeitsstelle wechseln. Da ich aber meine Arbeit noch einigermaßen anständig verrichtete, drückte man oft wegen des Trinkens ein Auge zu.
An nüchternen Tagen versprach ich meiner Frau immer wieder, mich zu bessern, was aber wieder vergessen war, sobald ich Alkohol hatte. Manchmal nahm ich mir vor, nur ein oder zwei Glas zu trinken – meistens entstanden daraus Trinkgelage von mehreren Stunden oder sogar Nächten. Jetzt passierte es mir schon, dass ich mich am nächsten Morgen gar nicht mehr erinnern konnte, wo ich getrunken hatte und wie lange. Jeder Sonntag endete in der Gosse. Den größten Teil des Geldes für den Lebensunterhalt musste meine Frau verdienen, da sie von mir nichts oder nur sehr wenig zu erwarten hatte.
Hatte ich einmal keinen besonderen Grund wegzugehen, fing ich absichtlich Streit an, um dann wieder nächtelang nicht nach Hause zu kommen. Oft war ich mittags schon wieder so betrunken, dass ich durch die Straßen schwankte und einmal sogar angefahren wurde.
War ich einmal nüchtern, versprach ich, mich zu bessern, trank ein paar Tage nicht und holte anschließend das Versäumte doppelt nach.
In all den Jahren habe ich nicht bemerkt, dass ich meine Frau mit meinem Lebenswandel zugrunde richtete. Sie stellte mich vor die Entscheidung: entweder Alkohol oder Familie!
Ich brauchte beides – aber den Alkohol an erster Stelle! Obwohl ich wusste, dass meine Frau recht hatte, ging alles so weiter wie bisher.
Dann entdeckte meine Frau einen Artikel in einer Zeitschrift, in dem über die Anonymen Alkoholiker berichtet wurde. Sie schrieb an die in dem Artikel angegebene Adresse eines AA-Dienstbüros, denn mir fehlte der Mut dazu. – Und ein paar Wochen später besuchte ich das erste Mal eine AA-Gruppe. Auf den ersten Blick schien ich der einzige Alkoholiker zu sein, denn außer mir sah keiner danach aus. Als ich die ersten Lebensgeschichten hörte, merkte ich, dass alle das gleiche Problem hatten. Keiner war damit allein fertig geworden.
Wie alle anderen versuchte ich, nur immer 24 Stunden lang nüchtern zu bleiben. Der Anfang fiel mir sehr schwer. Aber mit Hilfe meiner Freunde und nach regelmäßigen Gruppenbesuchen wurde ich langsam mit dem AA-Programm vertraut und versuchte, danach zu handeln. Doch ich hatte es mir zu leicht gemacht. Nach vier Rückfällen aber hatte ich endlich begriffen, dass ich als Alkoholiker nie wieder normal trinken kann. Keiner machte mir Vorwürfe, sondern alle versuchten mir zu helfen. Das gab mir wieder Mut und Kraft, an mich selbst zu glauben.
Dem AA-Programm und meinen Freunden habe ich es zu verdanken, dass ich heute keinen Alkohol mehr trinke. Ich führe jetzt wieder ein normales Familienleben und kann mich heute an Dingen erfreuen, die ich früher nicht wahrnahm. Täglich versuche ich, dem Alkohol zu widerstehen und lebe nach dem Wahlspruch:
Es ist keine Schande, krank zu sein – es ist aber eine Schande, nichts dagegen zu tun!